Wilhelm Strohm als Brüderpfarrer
in Rummelsberg 1928 - 1936


Eine Fallstudie

 

Von Albert Strohm

  

 

 

Inhalt:  

            Vorwort

1.      Lebensstationen

2.      Entschiedener Christ und Deutscher

3.      Der Weg in die Diakonie

4.      Theologische Lehrer

      4a Exkurs: Die Stellung zur Judenfrage

5.      Die Auseinandersetzung mit der NS-Ideologie und der
Glaubensbewegung Deutsche Christen (D.C.)

6.      Abgrenzung und Kompromiss — die Phase der Kirchenausschüsse

7.      Die vorletzten Dinge im Licht der letzten — Wilhelm Strohms letzte Lebensmonate

Anmerkungen

 

 

   

AUS:

 

ZEITSCHRIFT FÜR BAYERISCHE KIRCHENGESCHICHTE

68. JAHRGANG 1999, S. 133ff

Wilhelm Strohm als Brüderpfarrer in Rummelsberg 1928 -1936

Eine Fallstudie

Von Albert Strohm

 

Einstellungen und Verhalten der bayerischen evangelischen Pfarrerschaft in der Zeit des Nationalsozialismus sind jungst eingehend untersucht worden.1 Der auf umfassenden Ar­chivrecherchen und Befragungen basierende Überblick bedarf jedoch der Ergänzung durch Fallstudien, die theologie-, frömmigkeits- und mentalitätsgeschichtliche Aspekte am Beispiel einzelner Biographien vertiefen. Ausserordentlich erhellend ist das Beispiel des nicht zuletzt aufgrund seines frühen Todes im Jahre 1937 nur wenig bekannten Rummelsberger Bruderpfarrers Wilhelm Strohm Der gleichen Generation zugehörig wie die führenden Vertreter des deutschchristlichen Aufbruchs seit 1933 und der von der Barmer Reichsbekenntnissy­node ausgehenden Gegenreaktion war Strohm von 1928 bis 1936 neben dem Rektor Karl Nicol eine der prägenden Gestalten der Rummelsberger Diakonie.2 Er wurde in diesen Jahren für eine grosse Zahl von Diakonen wegweisend, musste ihnen aber aufgrund seines frühen Todes die gemeinsame Aufarbeitung der NS-Zeit schuldig bleiben.3 Bei Strohm zeigen sich jedoch bereits in den Jahren 1933 bis 1937 wichtige Lernprozesse. Trotz aller, nicht zuletzt von den theologischen Lehrern genährten religiösen Hochschatzung des Volkstums ist die Tendenz einer Konzentration auf das Bekenntnis und einer verstärkten Hervorhebung der Eigengestalt der Kirche als Gegenüber zum Volk unübersehbar. Ihr korrespondiert eine zu­nehmend schärfere Abgrenzung gegen die christentumsfeindliche und elementare Regeln der Mitmenschlichkeit verletzende nationalsozialistische Bewegung.

 

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1. Lebensstationen

 

Wilhelm Strohm, geboren am 27. August 1902 in Bruck bei Erlangen als Sohn des Pfar­rers Christian Strohm und seiner Frau Emma, geb. Schiller, besuchte in Trebgast/Oberfran­ken die Grundschule und dann das Gymnasium in Bayreuth. Nach dem Abitur im Frühjahr 1921 begann er im Sommersemester 1921 in Erlangen das Studium der Theologie. Wie sein Vater, sein Grossvater und sein im Krieg gefallener ältester Bruder trat er in die Burschen­schaft der Bubenreuther ein. Nach vier Semestern wechselte er mit seinem Freund und Bun­desbruder Hans Seifert für zwei Semester nach Rostock, wo vor allem Paul Althaus, aber auch Friedrich Baumgartel und Johannes von Walter wichtige Lehrer waren. Im Sommerse­mester 1924 horte er in Tübingen insbesondere Adolf Schlatter und Karl Heim. Im Winter­semester 1924/25 bereitete er sich — wieder in Erlangen — auf die theologische Aufnahmeprüfung vor 4, die er im Frühjahr 1925 ablegte. Darauf folgte ein einjähriger Aufenthalt im Predigerseminar Nürnberg. Dessen Rektor, der spätere Landesbischof Hans Meiser schrieb in seiner Beurteilung im Frühjahr 1926: "Ein tüchtiger, zielstrebiger, verlässiger, sehr selb­ständiger Mensch von tiefer Innerlichkeit, männlichem Ernst, grosser Aufopferungsfähigkeit, lebendiger Frömmigkeit. Geht durch nichts abgezogen in der Sache auf. Ignis ardens. Von einfachem bescheidenem Wesen, gerecht und mild im Urteil. Friedliebend, sozial veranlagt, ein treuer Kamerad. Sicher im Auftreten, taktvoll im Benehmen. Besitzt Führertalent. Wis­senschaftlich gut begabt, vielseitig, für Neues aufgeschlossen, geht den Dingen auf den Grund, hat die Gabe prinzipieller Erfassung. Feind aller blossen Scholastik. Besonders für In­nere Mission eingenommen... Theologisch von Althaus und Heim stark beeinflusst... Prakti­sche Veranlagung nach allen Seiten. Seine Predigten sind ernst, eindrucksvoll und tragen den Charakter des persönlichen Zeugnisses... Auftreten auf der Kanzel und am Altar hat etwas Geheiligtes. Besitzt sehr gute katechetische Fähigkeiten. Hat die Gabe, auch schwierige ka­techetische Begriffe klar und anschaulich herauszuarbeiten. Frisch, gewinnend, stramm im Auftreten. Kann die Liturgie gut singen. Besitzt sehr gute musikalische Gaben. Leistet an Klavier und Orgel Ausgezeichnetes. Verwendbar für alle Verhältnisse... verspricht aber vor allem ein ausgezeichneter Gemeindepfarrer zu werden.“5

 

Ab 1. April 1926 war Strohm Privatvikar bei der Pfarrstelle Bayreuth III, ab 1. Oktober Verweser der Pfarrstelle Bayreuth II, ab 1. Mai 1927 zweiter Stadtvikar in Würzburg. Die Or­dination erfolgte am 18. April 1927 in Bamberg. Der Bayreuther Dekan beurteilte ihn am 15. Januar 1927 mit folgenden Worten: " ..seine wissenschaftliche Leistung ist viel besser in Erscheinung getreten als bei seinem Examen. Seine Darbietungen in Predigt und Unterricht sind frisch und warm, auch inhaltlich gut, doch nicht immer an die homiletische und kate­chetische Norm gebunden. Arbeitsfreudig und gewandt hat er die grosse Aufgabe in der Stadtgemeinde in Angriff genommen, besonders die Jugendarbeit, in der seine besondere Gabe liegen durfte.“6 Engagiert war er u.a. in der Christdeutschen Jugend. In Bayreuth gehörte zu seinen Aufgaben auch die seelsorgerliche Betreuung des kranken Houston Ste­wart Chamberlain, der ihm zusammen mit seiner Frau Eva, geb. Wagner, noch eineinhalb Jah­re später zur Hochzeit sein Werk "Die Grundlagen des 19. Jahrhunderts“ zukommen liess.7

 

Nach der Anstellungsprüfung im Herbst 1928 wurde Strohm zum 1. November 1928 als dritter Theologe neben Rektor und Konrektor mit dem Auftrag des Brüderpfarrers und Hausvaters an die Diakonenanstalt Rummelsberg berufen. Am 24. November 1928 heirate­te er in Bayreuth Maria Preu, die Tochter des Bayreuther Oberbürgermeisters Hofrat Albert Preu und seiner Frau Emilie, geb. Stoer. Die junge Pfarrfrau hatte in der Folgezeit auch die Hauswirtschaftsleitung des Brüderhauses und die Betreuung der zum Praktikum verpflich­teten Bruderbräute zu Übernehmen. Strohm oblag unter der Oberleitung des Rektors Karl Nicol die Verantwortung für die Ausbildung und Fortbildung der Diakone einschliesslich der geistlichen Zurüstung, die Öffentlichkeitsarbeit der Diakonenanstalt und insbesondere die Kontaktpflege zu den Kirchengemeinden der Landeskirche sowie die Mitarbeit im Dienst an der Rummelsberger Anstaltsgemeinde. Später kam die Redaktion des Monatsblatts der Rummelsberger Bruder (ab 1935) sowie der vertraulichen Handreichungen für die Bezirks-Konferenzen der Bruderschaft hinzu

 

Zum 1. März 1936 wurde Strohm auf die zweite Pfarrstelle Lindau-St. Stephan mit Was­serburg/Bodensee berufen, nachdem der ursprünglich vorgesehene Rummelsberger Kon­rektor Ernst Nägelsbach wegen der politischen Gefahrdung der Erziehungsarbeit in Rum­melsberg für unabkömmlich erklärt worden war.8 Strohm sah sich insbesondere durch die starke Beunruhigung der Gemeinde infolge des Einbruchs der Deutschen Christen heraus­gefordert. Ferner erfolgte in seiner Amtszeit der Start des Kirchbaus in Wasserburg/Non­nenhorn, den er dem bayerischen Innenminister, Gauleiter Adolf Wagner, einem der ent­schlossensten Kirchengegner, abgetrotzt hatte. Nach nur eineinviertel Jahren Dienst in Lin­dau erlag Strohm am 30. Mai 1937 innerhalb weniger Tage einer akut nach dem Rummels­berger Brudertag aufgetretenen Herzschwache, wo er die Gastpredigt gehalten hatte. Lan­desbischof Meiser erinnerte in seinem Kondolenzschreiben an die Witwe an seine Beurtei­lung im Predigerseminar "Ignis ardens“ (Brennende Flamme) und nannte ihn einen der hoffnungsvollsten Pfarrer der Landeskirche.9

 

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2. Entschiedener Christ und Deutscher

 

Schon zu Beginn seiner Tätigkeit in Rummelsberg zeigt sich Strohm als entschiedener Christ mit hohem Anspruch an sich selbst und Opfer- und Dienstbereitschaft auf dem Hin­tergrund persönlicher Bibel- und Christusfrömmigkeit. Charakteristisch ist eine hohe Wert­schatzung der Kirche als der Schar derer, die mit Ernst Christen sein wollen. Im Mai 1934 stellte er in der Handreichung für die Bruderkonferenzen10 unter Hinweis auf Freiherrn von Pechmanns Kirchenaustritt — der langjährige frühere Synodalpräsident hatte vergeblich ge­gen das Schweigen der bayerischen Kirchenleitung zur Not der Juden protestiert — die Fra­ge: "Soll man aus der Kirche austreten, weil sie so grosse Mangel hat, so11 man eine Freikir­che wählen?“ Er verneinte die Frage, weil er die Kirche als Kirche für das Volk sah, das in vielfältiger Gefährdung stehend erlebt wurde: Entsittlichung als Folge von Werteverlust, Schmutz- und Schundkampagnen, Krise des Nationalgefühls als Folge der Niederlage von 1918, Entsolidarisierung auf dem Hintergrund schwerer wirtschaftlicher Not, gefährdete Volksgesundheit, alles massgeblich verursacht durch jüdischen Einfluss, der auch hinter der Gefahrdung durch Bolschewismus von innen und aussen gesehen wurde.

 

Strohm teilte hier die Zeitanalysen, wie sie insbesondere in der Inneren Mission damals weitverbreitet waren. Während Weltbürgertum im Sinne des westlichen Liberalismus scharf abgelehnt wurde, galten schon früh Volk, Rasse, Familie, Heimat, Acker, Sitte, Zucht und der ihrem Schutz verpflichtete Staat als gottgeschenkte Ordnungen, ohne die ein Volk verdirbt. Christen sind als Burger des Gottesreichs zwar einer neuen und höhere Ord­nung verpflichtet, aber bringen je und dann heilende Kräfte auch in die noch unerloste Volkerwelt: die Liebe Christi und die Dienst- und Opferbereitschaft, die aus dem Wissen um das "Haben, als hatten wir nicht“ erwachst, aber auch Gesundung der Ehen und Fa­milien.

 

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3. Der Weg in die Diakonie

 

Auf diesem Hintergrund war Strohm schon früh an der Inneren Mission interessiert. Als Kandidat des Predigerseminars verbrachte er vier Wochen seiner Ferien als Praktikant in der Erziehungsanstalt Rummelsberg. Die Rummelsberger Bruderschaft, die hauptamtliche Mit­arbeiter der Diakonie ausbildete, verstand er als einen geistlichen Orden, der zunächst in­nerhalb der Kirche, aber dann weit darüber hinaus im Volk Vorbildcharakter hat und der ganzheitlich verstandenen Liebe Christi Raum schafft.11 Von zentraler Bedeutung erschien ihm die immer neue Konzentration der Bruder auf Bibel und Gebet und zugleich die Pflege der Gemeinschaft untereinander, wobei die Ehepartner immer miteinbezogen wurden. Strohm trug mit, dass die Bruderschaftsleitung sich immer wieder scharf abgrenzte gegen Diakone, die diesen geistlichen und sittlichen Anforderungen nicht genügten, bis hin zum Ausschluss aller Bruder, die "ihren Brautstand nicht reinhielten“.12

Bei dem allen ging es auch um die Anerkennung des Diakonenamts in der Kirche und in den einzelnen Gemeinden. Konkret bemuhte man sich, für die am Ende der zwanziger Jah­re stark wachsende Zahl der Bruder Einsatzstellen in Kirche, Innerer Mission und im allge­meinen Wohlfahrtswesen zu gewinnen. Man lebte im Bewusstsein, dass die Fehler eines ein­zelnen Bruders das Gesamtanliegen der Brüderschaft gefährden konnten. Bei dieser Aner­kennung der Diakone ging es damals immer auch um die gesellschaftliche Stellung der da­mals fast ausschliesslich aus Handwerk und Landwirtschaft stammenden Brüder, die auch bil­dungsmassig auf eine neue Stufe zu heben waren.13 Strohm hat hier seine katechetischen und pädagogischen Gaben voll eingebracht.

 

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4. Theologische Lehrer

A. Paul Althaus

 

Strohms wichtigster theologischer Lehrer war wohl Paul Althaus. Ihm hat er sich theo­logisch in besonderer Weise verpflichtet gefühlt, wie aus dem für den Landeskirchenrat an­lässlich der Meldung zur Aufnahmeprüfung verfassten Lebenslauf vom 18 Dezember 1924 hervorgeht:

"Zentrale Gewinne fürs Leben bot mein verehrter Lehrer Paul Althaus, dessen Dogma­tik mit ihrer kritischen und mutigen Überzeugungsfreiheit wie besonders mit ihrer christologischen Orientierung tiefen Eindruck hinterliess.“14 Paul Altbaus traf damals mit seiner Lehre auf eine theologische Jugend, die noch zutiefst vom "Frontgeist von 1914“ und von den Traumata der Niederlage von 1918 geprägt war. Strohm‘ dessen ältester Bruder im Krieg gefallen und dessen nächstältester Bruder schwerkriegsbeschädigt aus dem Krieg zuruckge­kehrt war, hatte seine Abiturrede 1921, also zweieinhalb Jahre nach dem Krieg programma­tisch geschlossen: Wir "wollen mit allen Kräften es zu erreichen suchen, tüchtige Burger un­seres Vaterlandes zu werden, unserem Vaterland über die augenblickliche Krise hinweg zu neuer Blute zu helfen. Und wir möchten von allen Abschied nehmen mit dem Treueschwur Hoffmanns von Fallersleben, den ich ganz besonders Euch jungen Kameraden als Auffor­derung zurufen will: ,Treue Liebe bis zum Grab schwör ich dir mit Herz und Hand, was ich bin und was ich habe, dank ich dir mein Vaterland. Nicht in Worten nur und Liedern ist mein Herz zu Dank bereit, mit der Tat will ich erwidern dir in Not und Kampf und Streit. In der Freude wie im Leide ruf ich‘s Freund und Feinden zu: ewig sind vertraut wir beide und mein Trost und Gluck bist du. Treue Liebe bis zum Grabe schwor ich dir mit Herz und Hand; was ich bin und habe, dank ich dir, mein Vaterland! 15   

 

Dieser Geist bestimmte die Burschenschaft der Bubenreuther, in die Strohm wenige Tage später eintrat. Der im Krieg gefallene Bubenreuther Walter Flex war mit seinem völkischen Idealismus dort geistig prägend. Der Einsatz in den Freikorps mit den entsprechenden Wehrübungen war Pflicht. Strohm war mit dem Freikorps Oberland in Oberschlesien, kam aber nicht mehr zum Einsatz.16 Paul Althaus fand offene Ohren, wenn er beklagte, dass die mächtige Wirklichkeit Volk in der Weimarer Republik zu einem Schatten geworden sei. Althaus: "Aber der Schatten hat Blut getrunken. Durch das Blut junger deutscher Regimenter; die im Glauben an ein neues deutsches Volk ihr Leben dahingaben, ... durch die heisse Blutwelle neuer Volksverantwortung und Volksliebe in unserer Jugend, ist, was das Wort ,Volk‘ meint, als eine starke bindende und fordernde Wirklichkeit über uns gekommen.“17 Althaus war der Meinung, dass Volk und Volkstum Urordnungen und damit Gottesordnung seien, so dass an der Wirklichkeit des geschichtlichen Erlebens eine "Urerkenntnis menschlichen Beschenkt- und Gefordertseins“ aufleuchtete.18 Von diesem Ansatz her kam Althaus zusammen mit Werner Elert im Gutachten der Erlanger Theologischen Fakultät über die Einführung des sog. Arierparagraphen in der Kirche vom 25. September 1933 zu Aussagen wie den folgenden: "Der Träger des geistlichen Amtes soll mit seiner Gemeinde in ihrer irdischen Existenz so verbunden sein, dass die ihr daraus erwachsenden Bindungen auch die seinen sind.

 

Dazu gehört die Bindung an das gleiche Volkstum.“19 "Das deutsche Volk empfindet heute die Juden in seiner Mitte mehr denn je als fremdes Volkstum. Es hat die Bedrohung seines Eigenlebens durch das emanzipierte Judentum erkannt und wehrt sich gegen diese Gefahr mit rechtlichen Ausnahmebestimmungen.“20 Die Kirche weiss sich "in der gegenwärtigen Lage zu neuer Besinnung auf ihre Aufgabe, Volkskirche der Deutschen zu sein, gerufen. Dazu gehört, dass sie heute ihren Grundsatz von der völkischen Verbundenheit der Amtsträger mit ihrer Gemeinde bewusst neu geltend macht und ihn auch auf die Christen jüdischer Abstammung anwendet... Die Kirche muss daher Zurückhaltung ihrer Judenchristen von den Ämtern fordern.21 Althaus und Elert waren es auch, die dem "Ansbacher Ratschlag“ vom 11. Juni 1934 theologisches Gewicht gaben, in dem die Barmer Theologische Erklärung im Namen einer "genuin lutherischen“ Theologie abgelehnt wurde.22

 

Es war kein Zufall, dass Strohm als Vikar in Bayreuth auf einer Pfarrkonferenz ein Referat über "Die letzten Dinge“, das damals vieldiskutierte Buch von Paul Althaus, hielt. Offenbar teilte er dessen Abgrenzung gegenüber der Dialektischen Theologie und insbesonde­re deren Hauptvertreter Karl Barth, der auch in seiner persönlichen Bibliothek fast nicht ver­treten war. In der Bewertung der Barmer Theologischen Erklärung war Strohm jedoch an­derer Meinung als Althaus und auch dessen tiefes Misstrauen gegenüber den Unionskirchen teilte er nicht.23 Althaus hat Strohm seinerseits wahrend der Rummelsberger Zeit im Jahre 1932 mit seiner Frau besucht und in seinem Kondolenzschreiben an die Witwe wie auch 1952 gegenüber seinem Sohn Albert zum Ausdruck gebracht, wie sehr er Strohm als Schuler ge­schätzt und welche Hoffnungen — auch bezüglich einer akademischen Lehrtätigkeit — er auf ihn gesetzt habe.24

 

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B. Adolf Schlatter und Karl Heim

 

Wie zahlreiche Pfarrer seiner Zeit hat Strohm der Biblizismus Adolf Schlatters beeinflusst, einschliesslich seiner antijudäistischen Bibelinterpretation, die auch schon der Alttestament­ler Friedrich Baumgartel vermittelt hatte. Die bei Strohm ständig spürbare evangelistisch­missionarische Tendenz scheint von Karl Heim bestärkt worden zu sein, dessen Evangelisa­tionspredigt auf wissenschaftlich-philosophischer Ebene das Erbe des Pietismus für die Ge­genwart fruchtbar zu machen versuchte. In biblizistischer Weise suchte Heim "die Realität des Satanischen als widergöttliche Willensmacht sowie das Versöhnungswerk als Überwin­dung des Satans durch die Macht Jesu Christi und die eschatologische Weltvollendung durch die öffentliche Machtergreifung Christi herauszustellen.“25 Den langjährigen Führer der Gemeinschaftsbewegung in Bayern D. Karl Eichhorn, der im nahen Hahnhof ein geistliches Zentrum unterhielt, beteiligte Strohm immer wieder — bis zu seinem Tod im Jahre 1934 — an der Rummelsberger Bruderausbildung. Den Ehrenvorsitzenden der Landeskirchlichen Ge­meinschaft Emil Spranger, der seinen Ruhestand in Rummelsberg verbrachte, liess er im Bru­derblatt zu Wort kommen.

 

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C. Johann Hinrich Wichern und seine Erben

 

Als Bruderpfarrer und Mitglied der Leitung der Rummelsberger Bruderschaft war Strohm für einen wichtigen Arbeitszweig der Inneren Mission in Bayern mitverantwort­lich.26 Die hier verbreiteten konservativen evangelisch-diakonischen Einstellungen haben auch sein Denken mitgeprägt. Eine zentrale Rolle spielte bei Strohm die Besinnung auf Jo­hann Hinrich Wichern, den massgeblichen Begründer der Diakonie in Deutschland. Der Ein­undreissigjährige durfte anlässlich des 125. Geburtstags Wicherns und des hundertjährigen Jubiläums des Rauhen Hauses am 12. Juli 1933 von Hamburg aus einen Rundfunkvortrag halten zum Thema "100 Jahre männliche Diakonie“. Im neuen Rummelsberger Bruderhaus enthüllte er die dort zentral angebrachte Wichern-Büste mit den in Holz geschnittenen Wor­ten der berühmten Wittenberger Rede von 1848. Was er am Ende seiner Weiheansprache über Wichern sagte, spiegelte etwas von dem wider, was ihn selber prägte: "Spüren wir in Wicherns Antlitz nicht etwas von dem harten Gehorsam, von dem Verzicht auf alles, was uns hemmt und unserer Ehre dient? Wie hat dieser Mann alles darangegeben, um Gottes Ruf weiterzu­tragen! Wo finden wir ein Leben so voll von so viel rastloser Tätigkeit? Wie hat Gott seinen Propheten in die Schule genommen! Wahrlich des Ärgers, der Enttauschungen und Kran­kungen in seinem Leben sind Legion. Wie hat er in den letzten sieben Jahren seines Lebens lernen müssen: stille sein und auf den Herrn warten! Und endlich: wie hat der Mann, der aus Gottes Brünnlein schöpfte, in seinem Liebeswerk immer wieder mit Gottes Allmacht ge­rechnet! Keine Schwierigkeit war ihm zu gross, immer wusste er: Gott tragt mich. Er tut Wun­der. Darum soll dieses Wichern-Ehrenmal uns immer wieder die Frage stellen: Ist dir Gottes heiliger Namen auch alles in deinem Leben? Ist dein Lebensstil ein Ausfluss lebendigen Glaubenslebens?27

 

Wicherns Impulse waren in den zwanziger Jahren in den mannigfachen Prägungen ge­genwärtig, die sie durch den Begründer der kirchlichen Volksmission, Gerhard Hilbert, und Adolf Stoecker erfahren hatten. Stoecker hatte zum Kampf um die Volksseele aufgerufen, die er "von Materialismus, Nihilismus, Mammonsdienst und Genussgier, Spötterei und wissen­schaftlicher Überhebung“ bedroht sah. Diese Zeitansage war bei Stoecker immer mit einem glühenden Antisemitismus verbunden. In seinem Bemuhen, die Massen politisch-agitato­risch unter protestantisch-deutschnationalem Vorzeichen zu sammeln, bereitete er der Ver­quickung von nationalistischer und antisemitischer Ideologie und protestantischem Chri­stentum den Boden.28 Die Auffassungen Stoeckers blieben auch nach dem Ersten Weltkrieg lebendig. Als Beispiele seien die späteren Landesbischofe Hans Meiser und Theophil Wurm genannt, die in jungen Jahren als Vereinsgeistliche der Inneren Mission auf Stoeckers Ge­dankengut zurückgreifen. Beide beriefen sich, als es galt, bei den Machthabern des Dritten Reichs gehört zu werden, auf ihr judenfeindliches Wirken in früheren Jahren.29 In einem Rundbrief der Wichern-Vereinigung an 2000 Pfarrer vom 19. November 1930 ist zu lesen:

"Die nationale Bewegung ist in den meisten ihrer Schattierungen der Aufbruch eines neuen Lebenswillens aus der Tiefe des Volkes, der in seiner Kraft und Macht den tiefsten Bewe­gungen unserer Geschichte gleichkommt.“30 Was heute als Grundproblem des Wichernschen Konzepts deutlich ist, nämlich dass ihm eine Einheitsvorstellung von Staat, Kirche und Ge­sellschaft zugrunde liegt, die man gleichsam als innerweltliche Vorausbildung des zukünftigen Gottesreichs begriff, wurde im Vorfeld des Nationalsozialismus in depravierter Weise wirksam. Die Verantwortlichen der Rummelsberger Diakonenanstalt waren diesen Aktuali­sierungen des Wichernschen Konzepts ebenso verbunden wie andere Vertreter der Inneren Mission.


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4a Exkurs: Die Stellung zur Judenfrage


Strohm hat sich in der Judenfrage im wesentlichen im Rahmen der damals in christlichen Kreisen insbesondere in der Inneren Mission weitverbreiteten Auffassungen bewegt. Auf­schluss gibt vor allem ein von Strohm 1929 im Rummelsberger Bruderblatt veröffentlichter Lehrbrief für die Bruder zu diesem Thema.31

 

Der Lehrbrief setzt sich zunächst mit den "zahlreichen Bestrebungen der Gegenwart, die Grenzen der Volker zu beseitigen und einen grossen Menschheitsverband herzustellen,“ aus­einander und fragt, "ob der Christ etwa aus Liebe zu allen Menschen, um des Reiches Got­tes willen, die Pflege des eigenen Volkes und seiner Ehre hinter den Frieden und die Vereini­gung mit anderen Staaten zurückstellen soll.“ Im Blick auf die Gruppierung der Menschheit in Völkerschaften fühlt der Christ ein Zwiefaches.

 

1. Die Scheidung der Menschheit in Volker hemmt, ja zerstört vielfach die von einer al­lumfassenden Menschheitsliebe zusammengehaltene "Gottesbruder-schaft“. Besonders in Kriegszeiten schmerzen die Mauern, die die Scheidung der Volker zieht. Allerdings hat es, soweit die Geschichte von der Vergangenheit weiss, immer auch den Kampf eines Volkes ge­gen das andere gegeben. Soweit Kriege willkürlich zu eigensüchtigen Privatmachtzwecken vom Zaun gebrochen wurden, wird die Christenheit solche Kriege mit allen Mitteln zu ver­hindern trachten. Aber es gibt Kriege zwischen Volkern, die nie aus dieser Welt verbannt werden können, weil diese Welt unter dem Kampfgesetz steht: Leben wird nur aus Tod ge­boren Wenn ein Volk wachst und Raum braucht, wird es nicht selten das Nachbarvolk in blu­tigem Krieg zur Seite drängen müssen "Der Christ weiss sich nach Jesu Wort und Geist ver­pflichtet, in die friedlose Volkerwelt den heilenden Balsam wahrer Brüderlichkeit zu giessen, und gerade in Kriegszeiten wissen wir uns zu helfender Barmherzigkeit verpflichtet auch dem Feind gegenüber, der uns auch Bruder ist ..A her der Christ wird nicht wähnen, Völker­trennung und Kriegsgeschrei mit menschlicher Kraft beseitigen zu können. Vielmehr wissen wir, dass diese Not Gott selbst von uns nehmen muss und wird. Wir tragen also z.B. den Krieg nicht mit dem geheimen Groll und der stumpfen Verachtung, wie das in vielen neueren Kriegsbuchern (Im Westen nichts Neues usw.) anklingt, oder wollen ihn nicht mit aller Ge­walt abschaffen (Pazifismus), sondern mit heiligem Gehorsam gegen Gottes Verfugung und bussfertiger Erinnerung an unsere Schuld.“

 

2. Neben dem Schmerz über die Volkertrennung tragt der Christ in sich aber auch "ein freudiges Ja zu diesem Schicksal, einem Volk anzugehören, in sich. Denn, wie so oft bei Got­tes Strafen, in dem Fluch der Volkertrennung liegt auch ein tiefer Segen... Es ist z.B. eine hohe, heilige Aufgabe für einen Christen, die besonderen Anlagen seines Volkes zu hegen und zu pflegen Dann: Wieviel Gelegenheit zu christlicher Hingabe und Aufopferung er­wachst mir durch meine enge Verbundenheit mit dem Leid und mit der Freude meines Volkes... Auch im Krieg. .habe ich hier, ohne zu hassen, herrlich Gelegenheit, mein Leben für meine Bruder zu geben. Der Christ ist der beste Vaterlandsfreund (völkisch) und zugleich zu ernster internationaler Friedensarbeit bereit.“

 

Auf diesem Hintergrund ist — so Strohm 1929 — " die Gefahr des verderblichen Einflus­ses des Judentums auf die deutsche Volksart“ zu sehen. Gott hat auch die jüdische Rasse mit ihrer besonderen Blutszusammensetzung geschaffen mit "nicht mehr Vorzügen und versuchlichen Anlagen“ als andere Volker. Strohm nennt ausdrücklich neben Schwachen ("Hang am Irdischen, Diesseitigen, Sichtbaren; instinktiver Drang nach Genuss und sinnlicher Freu­de, Überheblichkeit gegenüber anderen Volkern“) auch Vorzuge wie z.B. "Familiensinn, Unternehmergeist, Zähigkeit“.

 

"Rassen- und Blutvermischung ist nicht die eigentliche Gefahr“. Vielmehr liegt die Ge­fahr auf geistigem Gebiet. "Weil die Juden ein vom Heimatboden vertriebenes, weil Gottes Gebot von jeher verachtendes Volk sind, das in gewissem Sinn unter dem Verstockungsge­richt steht, findet der Durchschnittsjude kaum mehr die Kraft, sich zu männlichem Gehor­sam gegen Gott durchzuringen. Er ist vielmehr mit wenigen Ausnahmen einem gottlosen, la­xen, aufgeklarten Diesseitigkeitsglauben verfallen. Manchen von diesen ist nichts mehr heilig. Die klugen Vertreter dieses atheistischen Judentums träufeln durch Buch und Film, mit Hilfe riesiger Geldmittel das Gift der Entsittlichung in die Seele...“ Nach Strohms Auffas­sung ist dieses moderne, hemmungslose Judentum gewöhnlich nicht gleichzusetzen mit dem frommeren, vom Alten Testament lebenden Volksteil, sondern der eigenen Synagoge ent­wachsen.

 

"Eine Abwehr dieses Seelengiftes sollte vom christlichen Standpunkt aus zunächst von seiten des Staates geschehen, der als machtvolle Zusammenfassung des deutschen christlichen Volkstums mit Verboten einschreiten, schädliche Elemente des Landes verweisen musste. Dann aber wird der Christ alle Bestrebungen unterstutzen, die eine Ruckwanderung und Wiederverwurzelung des jüdischen Volkes in Palästina bezwecken (zionistische Bewegung). Ein gewaltsamer Ausschluss des gesamten jüdischen Volkes aus dem deutschen Volksganzen wäre wohl ein Zeichen eigener Unterlegenheit und Angst vor dem Gegner, geht aber auch gegen die Grundnorm der christlichen Brüderlichkeit.“ Dagegen ist "als wirkliche, brauch­bare Waffe eine lebendige Stärkung des deutschen und vor allem christlichen Selbstbewusst­seins“ anzustreben, in Kirche und Schule, damit der deutsche Christ die Geister prüfen und die teuflischen abweisen kann.“ "Hand in Hand damit muss eine positive christliche Mission an dem jüdischen Volk getrieben werden.“

 

Die hier vertretene Lehre über Volkstum und Krieg stimmt mit der von Paul Althaus überein.32 Strohms ehemaliger Predigerseminarsrektor Hans Messer, inzwischen Oberkirchenrat, hatte im Herbst 1926 in drei Fortsetzungsartikeln im Nürnberger Gemeindeblatt33 ausgeführt, die Juden hatten "das ganze deutsche Volk an den Rand des geistig-sittlichen Un­tergangs gebracht und viele einzelne Existenzen ruiniert“. Die christliche Forderung müsse lauten: Entfernen der Juden von den Schaltstellen wirtschaftlicher Macht, aus kulturellen Führungspositionen (Presse, Theater, Hochschule) und aus allen Lehr- und Erziehungsbe­rufen, da es für einen Deutschen unzumutbar sei, dass seine Kinder in der Schule einen jüdi­schen Erzieher haben. Auch Messer halt es allerdings für notwendig, dass dabei nicht inhu­man vorgegangen wird und stellt fest, "der Kampf gegen das Judentum hat unter uns eine solche Form angenommen, dass alle ernsten Christen förmlich genötigt sind, sich schützend vor die Juden zu stellen...., damit nicht der christliche Name vor aller Welt verunglimpft wird.“ Der Staat habe freilich vor Gott die Pflicht, Schaden vom deutschen Volk abzuwen­den und geeignete Massnahmen zu treffen, um die genannten Forderungen durchzusetzen. Die Unterschiede zwischen der Messerschen Position und der Strohms sind nicht gravierend. Strohm unterscheidet deutlicher zwischen frommen und entwurzelten Juden, die die eigent­liche Gefahr darstellen. Anders als Meiser hebt er hervor, dass die zionistische Bewegung und damit die Auswanderung nach Palästina zu fordern ist, auch weil so eine innere Gesundung des jüdischen Volks leichter möglich ist. Strohm stellt die innere Immunisierung des deut­schen Volkes gegenüber jüdischem Einfluss als grosse Aufgabe gerade auch fur Diakone her­aus.

 

Strohms Stellung zur Judenfrage blieb nach 1933 im wesentlichen offenbar unverändert. Im Jahre 1930 äusserte er sich in einem Wahlaufklarungsabend vor der Reichstagswahl ähn­lich wie in dem Lehrbrief von 1929.34 Im August 1935 gab Strohm als Handreichung für die Bruderkonferenzen im September eine vom neuen Rummelsberger Vikar Hans Siebert zu­sammengestellte Bibelarbeit "über die heute allenthalben besprochene Judenfrage“ hinaus, die Siebert mit den Worten schliesst, "Es ist nicht nur ein Gluck für uns, sondern ein Recht vor Gott, dass unser Reich die Judengesetze erlassen hat und noch erlassen wird. Wir Christen müssen aber noch mehr können als der Staat, wir müssen beten können, dass unser Volk vom tödlichen Unglauben verschont bleibe und dass die Juden, die Gott selbst von sich gewiesen hat, den wahren Grund der gegen sie zu ergreifenden Gesetze zu ihrem Heil erkennen“

 

Mit abgedruckt wurde eine Abschrift des Briefes, den Vizepräsident Dr. Meinzolt, München, der oberste Jurist der Landeskirche, am 14. August 1935 wegen eines im "Stürmer“ er­schienenen Aufsatzes gegen Landesbischof Meiser an das Reichsministerium für Volksauf­klarung und Propaganda geschrieben hat — von Strohm mit dem Zusatz versehen:“ Aus ihm möge man ersehen, wie die Kirche in Verantwortung für den Geist der Öffentlichkeit auch heute das Gewissen der Nation sein muss.“ Darin wird in scharfer Form dagegen protestiert, dass der stellvertretende Gauleiter des Gaues Franken und Schriftleiter des "Stürmer“ Meiser um seine Ehre als "treudeutscher Mann“ und als Landesbischof zu bringen versuchte, insbe­sondere dass er wegen seiner Gemeindeblattartikel von 1926 als "Judenknecht usw.“ be­schimpft werde, ohne zu erwähnen, dass Meiser "damals auch sehr kritische Worte gegen die Juden als Rasse und die daraus sich für uns Deutsche ergebenden Pflichten geschrieben hat.“35 Warum zweieinhalb Jahre nach der NS-Machtübernahme mit zahlreichen Übergriffen gegen die jüdischen Mitbürger einschliesslich der getauften "das Gewissen der Nation“ nicht auch zugunsten der Juden schlug, ist die bedrängende Frage, auf die aufgrund der geschichtlichen Zeugnisse eine Antwort gesucht werden muss, stand doch die Verabschiedung der sog. Nürn­berger Gesetze vom 15. September 1935 unmittelbar bevor: das Blutschutz-Gesetz, das Mischehenverbot und das Reichsbürgergesetz, das den Juden die politischen Burgerrechte ab­erkannte. Wie wenig damals auch die Bekennende Kirche zu einem klaren Wort fähig war, zeigt der Verlauf der Synode der Bekennenden Kirche der altpreussischen Union vom 23.-26. September 1935 in Berlin-Steglitz. Der rheinische Präses Koch verhinderte, dass die Syno­de den Antragen folgte, ein klares Wort zur Judenfrage zu sagen. Nur mit Muhe konnte die Anerkennung der Judentaufe und der Judenmission beschlossen werden — unter ausdrückli­chem Hinweis, dass die Taufe "keinerlei politische, wirtschaftliche und gesellschaftliche Fol­gen“ habe Der Jude wurde ein Deutscher!36 Meiser hat damals "vor einem selbstverschulde­ten Martyrium“ gewarnt.37 Die Texte aus Rummelsberg lassen es als fraglich erscheinen, ob Martyrer in dieser Sache die dort Verantwortlichen hatten hinter sich wissen können.

 

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5. Die Auseinandersetzung mit der NS-Ideologie
und der Glaubensbewegung Deutsche Christen (D.C.)

 

A. Distanz und Nähe im Vorfeld

 

Einen Einblick in Strohms Denken über den Weimarer Staat und seine Parteien ein­schliesslich der "Hitlerbewegung“ gibt einer der von ihm initiierten Lehrbriefe im Bruderblatt (Fernunterricht V) über "Der Christ im Staat oder welche Pflichten haben wir nach der Reichstagswahl?“ vom Oktober 1930 Dort heisst es zum Thema Parteien: "Du sagst: wenn nur die Parteien nicht waren! Gewiss es steckt fürchterlich viel unnötiger Egoismus im Par­teiwesen. Aber es wird nie ohne Parteien gehen. Nie werden alle Glieder eines Volkes über eine Sache die gleiche Meinung haben...“ "Bei der Frage, welche Partei ist die richtige? Ist zu bedenken, dass jede menschliche Meinung Stuckwerk ist. Gewöhnen wir uns an, am anderen auch noch etwas Gutes zu lassen  Dann werden fünf Parteien kurz durchleuchtet: die so­zialistischen Parteien, die Deutschnationale Partei, Landvolk und Bauernpartei, Hitlerbewe­gung und Christlicher Volksdienst. Bei allen wird ein positives Anliegen gesehen, aber im­mer auch Bedenkliches aufgezeigt. Beispiel: Die Hitlerbewegung. "Befreiung Deutschlands von äusseren Feindfesseln, aber auch im Innern von vielen giftigen und undeutschen Ein­flüssen durch fremde Geister, besonders Juden; Änderung besonders schreiender sozialer Missstände; Verstaatlichung grosser Warenhäuser usw. "Lieber nationalsozialistischer Wähler: Wirke unter deinen Parteifreunden gegen den Geist der Überheblichkeit anderen Volkern gegenüber; vergiss nicht das Gebet um die Bekehrung der Juden, bekämpfe den religiösen Wirrwarr in vielen Hitzköpfen; Hand ab vom Alten Testament, wenn du nicht genau Be­scheid weisst!“38 Distanz und Nahe sind unüberhörbar Bedeutsam ist Strohms geistlicher Leitartikel im Monatsblatt der Rummelsberger Bruder vom Februar 1933, also zwischen Hitlers Machtergreifung und dem Reichstagsbrand mit den darauf folgenden Exzessen, ver­fasst vermutlich vor dem 30. Januar 1933. Er tragt die Überschrift: "Was unserem Volk not­tut“, verbunden mit dem Bibelwort 1. Korinther 13,9 "Unser Wissen ist Stuckwerk“. Der Artikel soll wegen seiner Deutlichkeit im Blick auf das damalige Geschehen im Wortlaut wie­dergegeben werden.

 

"Während wir in den letzten Jahren, besonders im abgelaufenen, eine starke, ja leiden­schaftliche Teilnahme am Schicksal unseres Volks- und Staatslebens bis weit in unsere Ge­meinden hinein, gerade in gläubigen Kreisen beobachten konnten, scheint diese politische Freudigkeit jetzt sehr im Schwinden zu sein. Das liegt nicht nur an den zahlreichen ermü­denden Wahlen, sondern in einem gewissen inneren Abscheu, der viele vor dem ungestümen und die Gemeinschaft nächster Angehöriger zerreissenden Treiben unseres deutschen Parteiwesens ergriffen hat. Die beginnende politische Teilnahmslosigkeit in Christenkrei­sen, die wir in früheren Jahren schon so sehr zu beklagen hatten, wäre gewiss ein Schaden und eine Unterlassungssunde. Wir wissen aber auch, dass sich in unserem Volk ein Geist breit macht, der verschwinden muss. Was muss anders werden? Nicht die Glut unserer Lie­be zum Vaterland soll gemindert werden. Es ist nicht recht, wenn man das Reich Gottes ge­gen das Vaterland ausspielt und sagt: Ein Christ darf nur mit einem gewissen Interesse an den Sorgen seines Volkes teilnehmen; sein Hauptinteresse hat der Kirche zu gehören. Nein — meine Liebe zu Jesus, zur Kirche beweist sich zuerst und vor allem in ganzer priesteris­cher Hingabe an meines Volkes Not. — Anders werden muss auch nicht das Parteiswesen an sich; denn solange es Menschen gibt, wird es auch verschiedene Ansichten über den rechten Weg, also Parteien geben. Aber eines müssen wir lernen, wenn auf unserem öffentlichen Leben wieder ein Segen ruhen soll, bei aller Verschiedenheit der Überzeugung: Duldsamkeit Wenn wir uns einer Richtung angeschlossen haben, begehen wir immer wieder den Fehler, unsere Ansicht für unfehlbar zu halten und anderen jede Erkenntnis der Wahrheit abzu­sprechen. Dadurch ist unsere Volksgemeinschaft von links bis rechts so sehr von dem Geist der Überheblichkeit und gegenseitiger Geringschätzung zersetzt und gegenwärtig in einer trostlosen Lage.

 

Die Hl. Schrift sagt: Unfehlbar ist in seinen Gedanken nur Gott; jeder Mensch, auch der Papst und der klügste Politiker kann irren. ,Unser Wissen ist Stuckwerk.‘ Wer wollte denn im Ernst leugnen, dass jeder Mensch bei der Bildung seiner Überzeugungen abhängig ist von seiner Herkunft, Lebensführung und vielem anderen, und wer konnte zum Beispiel leugnen, dass vieles, was wir vor einem Jahr als vollste Wahrheit in der Politik geglaubt, vielleicht be­leidigend selbstsicher vertreten haben, heute sich schon als falsch erwiesen hat; oder dass man in vielen Fragen des vaterländischen Lebens verschiedener Meinung sein kann? Wollen wir doch dem Geist der Selbstgerechtigkeit und der Unduldsamkeit, der in jedes Herz einzu­dringen droht, den Abschied geben, wo wir auch politisch stehen, und dem Geist der Be­scheidenheit, Weitherzigkeit und Duldsamkeit Raum geben! Wir brauchen darum nichts von der Kraft unserer Vaterlandsliebe und der Entschiedenheit der eigenen Überzeugung zu op­fern. Nur so wird der Weg frei zur ersehnten Gemeinschaft aller Deutschen.“39

 

Mit dieser Sicht der parlamentarischen Demokratie und ihrer geistigen Grundlagen un­terscheidet sich Strohm von vielen anderen Theologen seiner Generation. Es ist zu vermu­ten, dass sie mit beeinflusst wurde vom Einblick in das politische Tagesgeschäft, wie es ihm von seinem Schwiegervater vermittelt wurde. Dieser hatte sich als bis zum 1. Mai 1933 am­tierender Oberbürgermeister von Bayreuth gegen die masslosen Angriffe der nationalsozia­listischen Stadtratsmehrheit unter dem späteren bayerischen Kultusminister Hans Schemm sowie gegen manche Gegner aus den Reihen der sozialistischen Linken zu wehren.

 

Zugleich wurde auch im Rummelsberger Bruderhaus vor 1933 häufig das damals weit ver­breitete Gebetslied angestimmt: "Herr, einen Führer du uns sende, der unser Unglück wen­de mit mächtigem Gebot...“ Zumindest in der Kirche hielt Strohm das "Führerprinzip“ für durchaus berechtigt. In seinem geistlichen Wort im Bruderblatt vom August 1930 hatte er ausgehend von 1. Korinther 12,27 "Ihr aber seid der Leib Christi und Glieder, ein jeglicher nach seinem Teil“ die Meinung vertreten: "Das einzelne Gotteskind hat erst dann seine Be­stimmung erfüllt, wenn es sich willig in das grosse Ganze des Reiches Gottes einordnet..."

Auf die Bruderschaft angewandt:"...eine Bruderschaft braucht eine Leitung, der sich jeder einzelne freudig unterordnet... Eine starke Zentralgewalt in einer Bruderschaft dünkt mich etwas echt Biblisches. Anrempeleien, autoritätslose Ausdrücke gegenüber der Leitung einer Bruderschaft sind immer ein Zeichen von einer ungeheiligten, liebeleeren Gesinnung.“ Dar­auf folgt jedoch ein Korrektiv: "Freilich muss diese Leitung selbst sich dem noch grösseren Leib der Kirche innerlich verbunden wissen und jeder Befehl muss sich decken mit dem, was für Gottes Sache notwendig ist.40 Beim Brudertag 1931 grenzte sich Strohm in seinem Hauptreferat nachdrücklich gegen allen Individualismus ab. "Nicht der Unabhängigkeits­drang (Individualismus) ist das Merkmal des protestantischen Menschen, sondern der freu­dige, weil aus freiem Entschluss geborene Wille, sich zu einer Gemeinschaft der Kinder Got­tes zusammenzufinden. Der Ordensgedanke ist, wenn er nicht als gutes Werk angesehen wird, etwas Biblisches. Je mehr wir willig sind, uns um des Reiches Gottes willen zu einer militärisch geschlossenen Schar der Streiter Christi unter einer gemeinsamen Führung un­terzuordnen, umso mehr kommen wir dem Gebot des Gehorsams und der Hingabe an Gott nach... In einer Zeit der Hemmungslosigkeit ist ein freudiger und enger Zusammenschluss im Interesse des Reiches Gottes nach aussen und nach innen von Segen. Dieser festgefugte Bruderschaftskörper muss sich freilich in das Ganze der Kirche einfugen; denn nach dem Zu­sammenbruch des trügerischen Kulturgebäudes unserer Zeit muss Gottes Kirche, die grosse Gemeinschaft aller Gehorsamen entstehen.“41 Erwuchs aus diesem Verständnis die Bereit­schaft, im Frühjahr 1933 in Bayern erstmalig in Deutschland das Bischofsamt verbunden mit einem "Ermächtigungsgesetz“ einzuführen? In Rummelsberg wie auch in der gesamten Lan­deskirche erhob sich jedenfalls kein nennenswerter Protest dagegen.

 

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B. Hoffnungen nach der Machtübernahme der NSDAP

 

In Rummelsberg sah man im Sieg des Nationalsozialismus durchaus Gefahren für die Diakonie, für die männliche im besonderen. Dennoch schrieb Rektor Karl Nicol am 12. April 1933 in seinem Osterbrief an die Bruder: "Ohne irgendwie Euerer politischen Überzeugung zu nahe treten zu wollen, will ich es doch offen aussprechen, dass ich mich über die nationale Umwälzung von Herzen freue und mich freudig zum neuen Staat bekenne.“42 Konrektor Nagelsbach lässt in seinem geistlichen Wort im Brüderblatt April erkennen, wie wenig man durchschaute, was in diesen Wochen eigentlich vorging. Unter Bezugnahme auf 1 Mose 50,20 "Ihr gedachtet es böse mit mir zu machen: aber Gott gedachte es gut zu ma­chen, dass er täte, wie es jetzt am Tag ist, zu erhalten viel Volks“ heisst es dort: "Die Brandfackel im Gebäude des Deutschen Reichstages hat wohl das Haus zerstört, aber darüber hin­aus hat sie das Gegenteil von dem erreicht, was sie sollte. Sie wurde dem ganzen Volk zum Fanal zu mächtiger Erhebung und Einigung. Das Böse muss doch immer wieder Gutes schaf­fen. Gott versteht wahrlich die Kunst, selbst Menschensunde seinen Zwecken dienstbar zu machen. Im höchsten Masse gilt das vom Kreuz Christi, um das wir uns in diesen Tagen in tiefer Beugung versammeln wollen." 43 Für den Bruderpfarrer Strohm, der u.a. die Ausbil­dung der Bruder für die evangelische Jugendarbeit in der neuen Zeit zu leiten hatte, ergaben sich ungewohnte Herausforderungen. So organisierte er für den Juli 1933 einen dreiwöchi­gen Lehrgang für Wehr- und Geländesport unter Leitung eines ehemaligen Reichswehroffi­ziers mit dem Ziel, den Teilnehmern zum "Hilfslehrerschein“ zu verhelfen.44

 

Es war die Zeit, in der sich die korporative Einordnung der gesamten evangelischen Ju­gend in die Hitlerjugend (HJ) anbahnte. Wer die ungeheure Aufbruchsstimmung, die das Land unter der neuen Führung, nicht zuletzt in den fränkischen Gebieten und besonders in der Stadt der Reichsparteitage, wahrnimmt, versteht, dass die jungen Männer im Rummels­berger Bruderhaus, aber auch die Brüder in den Gemeinden nicht abseits stehen wollten. Am 3. November 1933 schrieben die drei Rummelsberger Pfarrer an die Bruder: "Zur Frage des Eintritts in die SA, die uns gegenwärtig so oft gestellt wird, mochten wir erklären, dass wir diese für alle jungen deutschen Männer heilsame Schule der Wehrertüchtigung herzlich be­grüssen und möglichst vielen Brüdern wünschen möchten."45 Mit dieser Stellungnahme be­fand sich die Bruderschaftsleitung in völliger Übereinstimmung mit dem neuen Landesbi­schof Hans Meiser und dem Landeskirchenrat, mit dem Vorsitzenden des Landesvereins für Innere Mission und mit der grossen Mehrheit der Pfarrer, also auch den Dienststellenleitern der Diakone, von den Mitgliedern des Bunds nationalsozialistischer Pfarrer (NSEP) und den Anhängern der Glaubensbewegung Deutsche Christen (D.C )ganz abgesehen. Bereits am 13. April 1933 huldigte der Landeskirchenrat in einer Dankansprache dem neuen Regime (und wollte es damit wohl zugleich in Pflicht nehmen!): "Mit Dank und Freude nimmt die Kirche wahr, wie der neue Staat der Gotteslästerung wehrt, der Unsittlichkeit zu Leibe geht, Zucht und Ordnung mit starker Hand aufrichtet, wie er zur Gottesfurcht ruft, die Ehe hochgehalten und die Jugend christlich erzogen wissen will, wie er der Vater Tat wieder zu Eh­ren bringt und heisse Liebe zu Volk und Vaterland nicht mehr verfemt, sondern in tausend Herzen entzündet.“ Die Gemeinden wurden aufgerufen, "sich ernstlich und willig dafür ein­zusetzen, dass die starken aufbauenden Kräfte, welche die neue Bewegung in sich tragt‘ zum vollen, ungehinderten Sieg kommen.“46 Helmut Baier urteilt: "Die Aufgabe, Volkskirche zu sein, wollte man ernstnehmen; man hatte Angst davor, von den dämonischen Kräften in der Partei überspielt zu werden. Deshalb ging man den Bund mit ihnen ein (und vergass dabei trotz aller Berufung auf den Herrn der Kirche, sich von ihm leiten zu lassen).“47

 

Gemeinsames Anliegen der aufbruchsbereiten Pfarrer (und Diakone), der Inneren Missi­on, der Glaubensbewegung Deutsche Christen (DC) und der NS-Pfarrer war die Volksmis­sion. Für sie sahen die allermeisten jetzt ungeahnte Chancen. Tatsachlich füllten sich vieler­orts wieder die Kirchen. Es gab Wiedereintritte. Auch in Rummelsberg nahmen immer wie­der uniformierte Gruppen mit ihren Fahnen an einzelnen Gottesdiensten teil.48 Strohm hat­te u.a. einen SS-Führer in Uniform mit grossem Gefolge zu trauen. Noch nach den grossen Ernüchterungen der folgenden Jahre sprach Strohm in seiner letzten Silvesterpredigt am 31. Dezember 1936 in der St. Stephanskirche in Lindau im Rückblick voller Dank davon, "was Gott an uns getan hat. ,Wie leicht vergessen wir, wie es in Deutschland vor fünf und sechs Jahren ausgesehen hat, wie die Jugend ohne Hoffnung am Markte lag, welch bösen gei­stigen Machte am Marke unseres Volkes frassen. Wie durfte unser Volk in seinen Stammen zusammenwachsen, wie ist die ernste Wertung der Volksgenossen untereinander gestärkt, man spürt es jedem Arbeiter an, dass er dankbar ist, wieder ernstgenommen zu werden; dass wir friedlich beieinander wohnen dürfen, dafür wollen wir... Gott danken." 49

 

Kirchenrat D. Erhard Weigel, der langjährige 1. Vorsitzende des Landesvereins der Inne­ren Mission und Rummelsberg eng verbunden, seit 1932 Dekan in Nürnberg, nahm am 17. Juli 1933 an der "gewaltigen“ Kundgebung der DC auf dem Nürnberger Hauptmarkt ("Adolf-Hitler-Platz“) teil, obwohl nicht selbst DC und ein Jahr später von den DC des Am­tes enthoben. Sein Nachfolger als 1. Vorsitzender des Landesvereins, Hans Gresfenstein, Pfarrer von Nürnberg-St.Peter, bevor er 1934 Oberkirchenrat wurde, war Sprecher der DC in der 1933 neugewählten Landessynode und stellvertretender Landesvorsitzender der DC in Bayern. Später nach dem Berliner Sportpalastskandal, in dem sich das wahre Gesicht der DC entlarvte, war er dann allerdings massgeblich an der Loslosung der bayerischen DC von der Reichsleitung und an der späteren Selbstauflosung der bayerischen DC beteiligt. Erster geschäftsführender Vereinsgeistlicher des Landesvereins für Innere Mission war seit 1. No­vember 1932 Pfarrer Kurt Halbach, ab 25. Februar 1933 Direktor des Landesvereins, am 28. Juni 1933 vom Landesführer der Inneren Mission, Oberkirchenrat Daumiller, in den Führerrat der Inneren Mission berufen, der am 18. Mai 1933 gegründet worden war. Hal­bach, der in Rummelsberg feierlich in sein Amt eingeführt worden war,50 hat sich beim Ver­such der Machtübernahme der DC in Bayern im Herbst 1934 zum kommissarischen Lan­desführer der Inneren Mission und zum kommissarischen Leiter des Nürnberger Prediger­seminars bestellen lassen und in dieser Eigenschaft Rektor D. Julius Schieder aus dem Amt zu drangen versucht. In Neuendettelsau zeigte sich Rektor D. Hans Lauerer als bedin­gungsloser Anhänger Hitlers. Der Leiter der Nürnberger Stadtmission‘ Hans Baumgartner, wurde einer der entschiedensten Anhänger der DC und deren Landesleiter. 51

 

Rummelsberg und nicht zuletzt der Bruderpfarrer verfolgte mit besonderem Interesse die Vorgänge beim Reichsverband der Diakone und bei der Bruderhausvorsteher-Konferenz, wie sie heute umfassend und übersichtlich von Michael Häusler beschrieben sind,52 damals in Rummelsberg freilich nur verwirrend und fragmentarisch wahrgenommen werden konn­ten. Zentrale Figur war der Geschäftsführer des Deutschen Diakonenverbands, Fritz Weigt, Berlin, der Rummelsberg immer wieder besuchte. Sein Anliegen war es, die Spaltung der Deutschen Diakonenschaft in DC-Anhänger, die es in zahlreichen deutschen Bruderhäu­sern, auch in deren Leitung, gab, und auf kirchenpolitische Neutralität bedachte Diakone und Vorsteher zu verhindern. Ferner suchte er, nachdem die Diakone geschlossen in die Deutsche Arbeitsfront überfuhrt worden waren, ein gegenüber der NS-Volkswohlfahrt (NSV) eigenständiges kirchliches Amt zu sichern.

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C. Deutscher Diakonentag im September 1933 in Hamburg

 

Auf dem grossen Diakonentag in Hamburg, bei dem zugleich 100 Jahre männliche Dia­konie und der 125. Geburtstag Wicherns gefeiert wurden (9.-16. September 1933), waren rund 1000 Diakone einschliesslich ihrer Frauen versammelt, darunter 40 aus Rummelsberg. Auch Strohm nahm an dem Diakonentag teil. Die Rummelsberger berichteten später, für alle Teilnehmer des Diakonentages seien "die Tage dort zu einem Erlebnis geworden, wie es im Leben nicht oft geschenkt wird.“53 Dabei war es den DC-Führern gelungen, die Veranstal­tung weitgehend zu dominieren. Reichsbischof Müller bekam Raum für demagogische Re­den. Der DC-Direktor im Zentralausschuss der Inneren Mission, Horst Schirrmacher, konn­te den Diakonen im Hauptreferat eine bisher nicht dagewesene Anerkennung ihres Berufs im neuen Staat einschliesslich wirtschaftlicher Sicherung vor Augen malen. Adolf Hitler be­kam auf seinen eher förmlichen Gruss hin telegraphiert: "Dem Führer unseres Volkes und Retter unseres Vaterlandes vor dem Untergang im Bolschewismus senden 1000 Diakone... namens der gesamten Deutschen Diakonenschaft das Gelöbnis alter deutscher Mannestreue und des Einsatzes aller ihrer Kräfte für den Aufbau und die Vollendung des Dritten Reiches. Deutscher Diakonenverband gez. Fritz Weigt.54

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D. Von der Sportpalastkundgebung am 13. November 1933 bis zum Umsturz-versuch des Reichsbischofs in Bayern im Herbst 1934 und seinen Folgen

 

Wenig später stellte sich die Lage ganz anders dar. Bald meldete sich in der Deutschen Dia­konenschaft eine der NS-Ideologie der Deutschen Christen gegenüber kritische Opposition zu Wort. Die Gründung eines Bundes bekenntnistreuer Diakone lag in der Luft. Als dann mit der Sportpalastkundgebung der Deutschen Christen am 13. November 1933 offensicht­lich wurde, wie weit diese vom Bekenntnis der Kirche entfernt waren, u.a. mit der radikalen Ablehnung des Alten Testaments, kam es zu einer gewissen Scheidung der Geister. Am 3. November hatten die drei Rummelsberger Pfarrer noch an die Diakone geschrieben: "Die Frage ist, besonders seit der Entschliessung des Diakonentages in Hamburg, für viele Bruder brennend, ob sie sich der Glaubensbewegung "Deutsche Christen“ anschliessen sollen. Da die Rummelsberger Bruderschaft wie die gesamte bayerische Innere Mission sich dem Herrn Landesbischof unterstellt hat, haben wir vor kurzem in persönlicher Aussprache mit dem Herrn Landesbischof in München uns dort Weisung erholt... Es ist uns von oberster kirch­licher Stelle gesagt worden, dass der Eintritt bei der Glaubensbewegung "Deutsche Christen“ jetzt, nachdem die kirchenpolitischen Kampfe abgeschlossen sind, nicht mehr als vordring­lich angesehen werden kann (bekanntlich hat auch der Herr Reichsbischof feierlich erklärt, dass kein Unterschied zwischen Mitgliedern und Nichtmitgliedern der Glaubensbewegung "Deutsche Christen“ für die Kirche besteht). Darum halt der Herr Landesbischof einen ge­schlossenen oder gar erzwungenen Beitritt für nicht erwünscht. Wer dagegen aus Gewis­sensuberzeugung sich gedrungen sieht, sich dieser für die Neugestaltung der Kirche zweifel­los bedeutsamen Bewegung anzuschliessen, kann dies freiwillig und für seine Person tun An diese Weisung unseres Bischofs werden wir uns unter allen Umstanden halten.55

 

Am 1. November 1933 unterzeichneten die drei Rummelsberger Pfarrer eine Erklärung an Landesbischof Meiser: "Angesichts der ernsten Lage erklären wir, dass wir treu zu unse­rem Landesbischof stehen, in dem wir den Huter der biblisch-reformatorischen Grundlagen unserer Kirche erblicken.“56  Vom 23. Januar 1934 ist der Brief datiert, mit dem sich der Füh­rer der Deutschen Diakonenschaft und der Vorsteher der Konferenz der Bruderhausvorste­her von den Deutschen Christen lossagten.57 Auch in Bayern wandten sich viele Sympathi­santen und Mitglieder von den Deutschen Christen ab, wie sie sich in Berlin und in anderen Landeskirchen — am radikalsten in Thüringen — zeigten. Der Landesbischof hielt mit dem Landeskirchenrat die Turen für sie weit offen, im ständigen Bestreben, die Einheit und Ge­schlossenheit der Landeskirche zu erhalten bzw. wiederherzustellen.

 

Zu Pfingsten am 21./22. Mai 1934 wurde im Bruderhaus die Bayerische Pfarrerbruder­schaft gegründet, in der sich in scharfer Abgrenzung gegen die DC die bekenntnistreuen Pfarrer zusammenschlossen. Auf Reichsebene brachte die auch von Landesbischof Meiser unterschriebene Theologische Erklärung der Ersten Reichsbekenntnissynode in Barmen vom 29. bis 31. Mai 1934 eine höchst bedeutsame theologische Klarstellung. In seinem Wort zur kirchlichen Lage für die Juli-Bezirkskonferenzen urteilt Strohm: In Barmen "haben sich nach ernsten Besprechungen die Vertreter der lutherisch Gesinnten mit den Reformierten und Unierten auf gemeinsame Forderungen in Glaubens- und Kirchenfragen geeinigt. Das Letztere ist zweifellos ein grosser kirchengeschichtlicher Augenblick gewesen, da ja in Bar­men gerade die streng konfessionellen Vertreter beisammen waren und sich die Hand reichen konnten."58 Rektor Nicol und auch der Bruderpfarrer hielten es freilich für richtig, im In­teresse der Einheit der Bruderschaft und im Interesse der Selbständigkeit Rummelsbergs ge­genüber Eingliederungs- und Übernahmeversuchen des Staates kirchenpolitisch neutral zu bleiben, und traten für ihre Person der Pfarrerbruderschaft damals nicht bei. Am 22. Sep­tember 1934 sieht sich Nicol im Namen der Bruderschaftsleitung jedoch in einem Brief an die Bruder zu einem klaren Kurswechsel gezwungen, nachdem man "mit grösster Sorge wahrnehmen musste, wie von der Berliner Kirchenleitung her mit weltlichen Machtmitteln in das Gebiet der Kirche hineingegriffen wurde. Im gegenwärtigen Zeitpunkt ist uns die Stel­lungnahme ganz klar und eindeutig vorgezeichnet und komme, was da wolle, wir rechnen mit allem..."59 Während bekannte Mitarbeiter der Inneren Mission in Bayern sich dem vom Reichsbischof und seinem "Rechtswalter“ eingesetzten Gegenregiment im nahen Nürnberg unterstellten, hielt die gesamte Rummelsberger Bruderschaft Landesbischof Meiser die Treue. Als sich der Landesbischof in München im Hausarrest befand, versammelte sich wie überall im Land auch in Rummelsberg die Gemeinde zu Fürbittgottesdiensten. Nach der Entmachtung von Reichsbischof Müller war man in Rummelsberg mit Landesbischof Mei­ser "der guten Hoffnung, dass Gott unserer Kirche wieder Frieden schenkt.“ Strohm deute­te die gesamtdeutsche Lage so: "In der Bekenntniskirche gibt es natürlich mancherlei An­sichten über den einzuschlagenden Weg. Wahrend der rheinische, mehr reformierte Flügel nach Art Calvins für eine schärfere Abgrenzung der Kirchen gegenüber dem Leben des Staa­tes ist, ist der mehr lutherische Flügel unter Führung unserer Bischofe stark für die engere Verbindung mit dem Leben das Staates‘ so wie Luther Staat und Kirche mehr als Geschwi­ster angesehen hat. Wir sind dankbar, dass diese lutherische Linie gesiegt hat, und wir sind dankbar, dass unsere Kirchenregierung, gerade auch in München‘ es an Beweisen ihrer Staatsverbundenheit nicht hat fehlen lassen. Das Gerede von reaktionärer Gesinnung und derglei­chen unserer Kirchenführer wird wohl auch einmal zum Schweigen kommen.“60

 

Einen tiefen Einblick in die staatstreue Gläubigkeit auch der Bekenntnischristen jener Tage gibt beispielhaft die (laut Vermerk nicht abgesandte!)61 Handreichung Strohms für die Bezirkskonferenzen im März 1935. Sie geht aus von 1. Timotheus 2,1 f. und sagt dann: "Die Könige und alle, die Staatsgewalt innehaben‘ führen ein göttliches Amt“. "Wir Christen mochten die treuesten Helfer der Obrigkeit sein, denn wir unterstützen sie durch unsere heissen Gebete vor dem Angesichte Gottes. Wem hat nicht ans Herz gegriffen, mit welch hin­reissender Gewalt der Führer unsere Saardeutschen am 1. März wieder zum Reich zurück­geführt und ihnen den Glauben an ihr Volk wiedergegeben hat. Dann aber steigt die inbrün­stige Bitte auch aus unseren Reihen empor, der Herr mochte unserer Obrigkeit das weitere Werk der deutschen Befreiung, gerade in den Verhandlungen mit den ehem. Feindstaaten ge­lingen lassen. Ganz besonders aber bewegt uns alle der heisse Wunsch‘ Gott möge dem Füh­rer Gewissheit schenken in all den schweren Auseinandersetzungen, die um die Seele unse­res Volkes entbrannt sind‘ dass die Kräfte nicht die Oberhand gewinnen‘ die das Evangelium mit roher Gewalt oder durch verborgene Methoden aus unserem lieben Deutschland wieder beseitigen mochten.“62

 

Wie wenig zum damaligen Zeitpunkt durchschaut wurde, worum es Hitler tatsachlich ging, macht auch eine Stellungnahme des Rektors zum sog. "Deutschen Gruss“ in einem Rundbrief an die Bruder vom 28. Mai 1935 deutlich: "Leider hat unsere Mahnung, die Bru­der mochten sich in allen Dingen politischer Art vorsichtig und zuruckhaltend zeigen und zum heutigen Staat eine positive Stellung einnehmen‘ nicht durchaus Befolgung gefunden. Ich kann nur sagen, dass ein negatives Verhalten gegenüber dem Staat unserer Sache schwer­ste Gefahr bringt. Ein einziger Diakon kann einer ganzen Diakonenschaft nicht wieder gut zu machenden Schaden zufugen. Ich habe schon oft gesagt, dass man sich den "Deutschen Gruss“ niemals zur Gewissensfrage werden lassen darf. Ich habe ihn von Anfang an ohne Ge­wissensbedenken gebraucht. Der Wunsch "Heil Hitler!“ ist für mich gleich einer Fürbitte für den Mann, dem Gottes unerforschlicher Ratschluss eine ungeheuer wichtige und schwierige Rolle im Verlauf der heutigen Menschheitsgeschichte eingeräumt hat. Ob wir Frieden oder Krieg haben werden, hangt zum grossen Teil von diesem Mann ab. Sollte man nicht in Für­bitte seiner gedenken? Es gibt ganz andere Dinge, die uns zum Gewissensanliegen werden können, als den Deutschen Gruss mit dem Handaufheben und dem Ruf: "Heil Hitler!“. Gott gebe uns, wenn Gewissenschwierigkeiten kommen werden, den Beistand seines Geistes, dass wir dann feststehen und nicht innerlich zu Schaden kommen... Mit christlichem und deut­schem Gruss! Euer treuer Rektor K. Nicol.“63

 

Gewissensbelastungen bewirkte die zunehmend härtere Gangart der Partei und ihrer Ideologen in der Deutschen Glaubensbewegung, insbesondere Alfred Rosenbergs, der in sei­nem "Mythus des 20. Jahrhunderts“ alle wesentlichen Glaubensaussagen des christlichen Glaubens abtat. Strohm versuchte in zahlreichen Vortragen auf den Brüdertagen und in ein­zelnen Gemeinden des Landes, im Brüderblatt und in den Handreichungen für die Bezirkskonferenzen, in Predigten und im Bruderunterricht sowie bei den seit der Einweihung des neuen Bruderhauses (1931) überaus zahlreichen Gasttagungen und Freizeiten in und um das Haus Gegenaufklarung zu leisten. Immer wieder ging es um die Bedeutung des Alten Testa­ments und der Bibel überhaupt, um die Gottesfrage, um die Auseinandersetzung mit dem Thema Blut und Boden usw.. Auch aus der kurzen Lindauer Zeit mit einem gewichtigen deutschchristlichen Gegenüber ist ein Vortragsmanuskript zum Thema Nationalkirche oder Bekenntniskirche erhalten, das eindeutig für letztere Partei ergreift.

 

Als angesichts der Neuformierung der Deutschen Christen in Bayern in Ortsgruppen eine von der Kirchenleitung bisher vermiedene örtliche Abgrenzung von deutschchristlicher Agitation nötig wurde, und sie den Aufruf ergehen liess, vor Ort Bekenntnisgemeinschaften zu bilden und an deren Mitglieder Ausweise auszugeben, gab es bei den Bewohnern Rum­melsbergs kein Zögern. Die erhaltene Namensliste enthalt keine Lücken.64 Auch die beiden Lehrer fehlen nicht. Entsprechend gut waren die Bekenntnisgottesdienste besucht. Strohm entschloss sich — im Unterschied zu Rektor Nicol — damals nun doch zum Eintritt in die Pfarrerbruderschaft mit der Begründung, er sei nach reiflicher Überlegung zum Ergebnis ge­kommen, dass dort sein Platz sei. Die Begründung für sein bisheriges Zögern im Brief an den Senior der Bruderschaft, Kurt Fror, ist bezeichnend für ihn: Ich hatte das bestimmte Ge­fühl, dass (1934, A.S.) ein zu entscheidendes Gewicht auf die Lehrformulierung gelegt wur­de, obwohl ich mir sehr wohl bewusst bin, dass die Kirche wesentlich auf klare Lehrbildung angewiesen ist, aber daneben ist doch Tat und Gesinnung rechter Bruderliebe, auch nach dem Worte Jesu und des Neuen Testaments nicht minder von Bedeutung. Das ist damals bei der Gründung der Pfarrerbruderschaft wohl auch betont worden, aber es trat für den Hörer doch zu stark in den Hintergrund hinter dem damnamus. Inzwischen ist ja wohl in der Be­kenntniskirche und der Pfarrerbruderschaft die Frage: Wie man sich zu Andersdenkenden als Christ und Bruder zu stellen hat, sehr brennend geworden... Mir ist inzwischen wohltu­end begegnet, wie Sie nicht verurteilen und sich doch deutlich gegen die allzu starre und viel­leicht auch allzu selbstsichere Art gewisser Kreise der Bekenntnisfront abgrenzen... "65

 

    An Pfingsten 1935 hatte die Pfarrerbruderschaft unter grosser Beteiligung Pastor Fritz von Bodelschwingh als Prediger und Dr. Hans Iwand als Referenten bei sich. Bodelschwingh hatte am 23. März 1935 ein Schreiben der Arbeitsgemeinschaft der missionarischen Werke und Verbände der Deutschen Evangelischen Kirche an den Herrn Reichsminister und Preussischen Minister des Innern mitunterzeichnet, in dem bezogen auf die Zeit nach der Bekenntnissynode in Dahlem vom 19. und 20. Oktober 1934 ein scharfer Protest gegen die Behinderung der kirchlichen Arbeit durch die NS-Politik eingelegt wurde. Strohm, der das Schreiben vertraulich an die Bezirkskonferenzen weitergab, urteilte in einem Begleitwort: "Hier ist in ganz klarer und vorbildlicher Weise das Anliegen der Bekenntnisgemeinschaft niedergelegt.“ Nach einem Hinweis auf den weitgespannten Einsatz der in der Arbeitsgemeinschaft zusammengeschlossenen Werke und ihrer Mitarbeiterschaft für das Wohl von Volk und Staat sagen die Sprecher: "Wir beklagen es auf das schmerzlichste, dass die Ansprache der Bekenntnissynode der evang. Kirche der Altpreussischen Union in irrtümlicher Deutung einzelner Worte dahin missverstanden werden konnte, als sollte der Staat angegriffen werden.

 

Mag Anlass gewesen sein, diese oder jene Wendung oder den Zeitpunkt der Bekanntgabe an die Gemeinden zu bemängeln, wir wissen, dass die Synode aus tiefster Sorge um den Staat und nicht gegen ihn gesprochen hat. Die AG teilt uneingeschränkt diese Sorge und kann sich der Mitverantwortlichkeit bar die von der Synode angesprochenen Anliegen nicht entziehen. Als die berufene Hüterin des positiven Christentums, unter dem das lebendige Kirchenvolk nie etwas anderes verstanden hat als die Verkündigung von dem für uns gestorbenen und auferstandenen Christus, muss die Kirche zu den brennenden Fragen, die unser Volk in seinen Tiefen aufwühlen, ein klares und offenes Wort sagen: In wachsendem Mass wird die Volkseinheit gefährdet, wenn das evang. Kirchenvolk erlebt, dass unter den Augen des Staates in zahlreichen öffentlichen Versammlungen, in der Presse, in Arbeitsdienstlagern, in der Schulung der politischen Formationen, in N.S. Frauenschaft, H J. und B.d.M. im Anschluss an Rosenbergs Buch vom Mythus des 20. Jahrhunderts das biblische Evangelium in schärfster Weise angegriffen und herabgesetzt wird, wahrend der Kirche die Freiheit der Bezeugung des Evangeliums entzogen wird. Es ist nicht tragbar; dass Professor Hauer in grossen öffentlichen Versammlungen für seine neuheidnischen Gedanken werben kann, während der evang. Kirche jede Benutzung gleicher öffentlicher Raume zur Verkündigung ihrer Botschaft und zur Abwehr des Neuheidentums verboten wird. Der vom Staat ungehinderte Angriff des Neuheidentums bedeutet aber nicht nur die Unterdrückung der Freiheit der evang. Kirche, sondern richtet sich gegen das Fundament des Staates, macht unzählige treue Männer und Frauen und weite Kreise der heranwachsenden Jugend, die mit echter Begeisterung und Hingabe den Aufbruch der Nation erlebte, am Nationalsozialismus irre und bedroht die wahre Volksverbundenheit. Der geistige Kampf, in den wir eingetreten sind, darf nur mit geistigen Waffen und in voller Freiheit der Überzeugungen ausgefochten werden. Staatliche Massregelungen, Rede- und Versammlungsverbot und andere Zwangsmassnahmen schaffen ,Martyrer‘ und treiben unaufhaltsam die Auseinandersetzungen auf dem Gebiet des Geisteslebens und der Weltanschauung zu staatsgefährdenden Absonderungen. Wir freuen uns über alles das, was in deutscher Geschichte aus Blut und Boden erwachsen ist, und sehen in der Rasse ein Geschenk des Schöpfers, das wir ehren und lieben, und das uns hohe Verpflichtungen auferlegt. Wenn aber auch die Religion nur ein Produkt von Blut und Boden sein soll, werden die Quellen des Geistes geleugnet, die hoch über Zeit und Geschichte in einer anderen Welt liegen. Das ist Rückfall in den Materialismus. Ein Staat, der sich diese Lehre zu eigen macht oder fordert, zerstört sich selbst. Wir können und wollen es darum nicht glauben, dass die verantwortlichen Männer der Regierung und der Bewegung bewusst die äussere und innere Zermürbung der christlichen Konfessionen wollen, die in die­sen letzten und höchsten Fragen vollkommen einig sind. Wir bitten sie, Herr Reichsminister, ihren ganzen Einfluss einzusetzen, dass die evang. Kir­che, vorab ihr bekenntnistreuer Teil aus dem Zustand der Bedruckung befreit wird und sei­nen Dienst am Aufbau unseres Volkslebens aus den Kräften, die das Evangelium darreicht, mit uneingeschränkter Freudigkeit und im Vertrauen auf die Zusagen des Führers leisten kann. Der Bruderrat der AG... Gez. P. E v. Bodelschwingh, gez. D. Knak, gez. P. Graf v. Lut­tichau.“66


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6. Abgrenzung und Kompromiss — die Phase der Kirchenausschüsse

 

Dass der Staat die hier angebotene Partnerschaft höchstens aus taktischen Gründen an­nahm, vielmehr sein Zerstörungswerk gegenüber den christlichen Kirchen planmässig fortsetzte, wurde in den folgenden Monaten immer deutlicher. Raffiniert wurden die einzelnen Gruppierungen in der Deutschen Evangelischen Kirche gegeneinander ausgespielt, vor allem zu Lasten der Bekennenden Kirche in den zerstörten Kirchengebieten. Um der Sicherung des eigenen Bestands willen, aber auch aus tiefem Misstrauen gegenüber den Amtsträgern der "Union“ ging die bayerische Kirchenleitung immer wieder auf Distanz zur Bekennenden Kirche Dahlemscher Prägung und suchte statt dessen den Schulterschluss mit der württem­bergischen und der hannoverschen Kirche. Als unter Generalsuperintendent a. D. Wilhelm Zoellner im Oktober 1935 auf staatliche Initiative als Kirchenleitung ein sog. Reichskirchenausschuss gebildet wurde, in dem Vertreter verschiedener Richtungen einschliesslich der Deutschen Christen zusammenwirkten, wurde er von Bayern im Unterschied zur Beken­nenden Kirche in den DC-geleiteten Landeskirchen unterstutzt und auch vor Ort der Ver­such gemacht, die DC-Ortsgruppen und ihre Pfarrer wieder in die Landeskirche zu inte­grieren.

 

Strohm gibt den Vorgängen in seiner letzten Handreichung für die Bruderkonferenzen vor dem Wegzug nach Lindau (1. März 1936) "nach längerem“ wieder ausführlich Raum. Im Blick auf die oft "verwirrenden und ermüdenden kirchenpolitischen Vorgange“ ist sein Cre­do: "Die Kirche wird nur durch den schlichten treuen Dienst gebaut, den wir in der Kran­kenstube, beim Gemeindebesuch, in der unermüdlichen Erziehungsarbeit an der Jugend tun. Und dann gilt: Wertvoller als 1000 kirchenpolitische Gespräche ist eine einzige Fürbitte für die Kirche. Es ist richtig, dass die vielen kirchenpolitischen Gespräche uns eigentlich keinen Schritt weiterbringen... Dennoch soll jeder einzelne innerlich mitverantwortlich sein und wissen, was in der Kirche vorgeht.“ Er weist dann darauf hin, dass man über den Kurs des Reichskirchenausschusses verschiedener Meinung sein könne. So relativiert er durchaus die uneingeschränkte Unterstützung durch Landesbischof Meiser.

 

Dann jedoch zitiert er sehr ausführlich Aussagen Zoellners, die dieser in Berlin und in München vor den bayerischen Dekanen gemacht hatte. Es bleibt offen, ob Strohm den Ur­teilen Zoellners über die Bekennende Kirche in Altpreussen zustimmte, wenn dieser sagt: "Ich verstehe vollkommen die Einrichtung der Bruderrate. Aber ich habe immer gesagt: Über den defensiven Charakter dürfen sie nicht hinausgehen. Man hat versucht, auf diesem Weg eine Kirche mit Kirchenregiment und Kirchenordnung aufzubauen. Wenn man das ver­sucht, gibt es nur zwei Möglichkeiten: Entweder man steht in der Luft oder man muss in das Volk hineinbauen. Die Kirche ist nicht nur Geist, sie ist auch Leib. Sie besteht aus lebendigen Menschen, die in eine Volksordnung hineingeboren sind.. Als ich merkte, dass man auf seiten der Bekenntnisbewegung in die Offensive ging — das war im Frühjahr 1934— da habe ich inständig gebeten, davon abzulassen... Ich hatte aber mit meinen Mahnungen keinen Er­folg. Vielleicht waren die Übergange für die Handelnden ja auch nicht sichtbar. Sie wurden von einem zum anderen geführt, unmerklich, ohne dass ihnen zum Bewusstsein kam, dass sie nun die ihnen gestellte Grenze überschritten. Die Bekenntnisbewegung musste Bewegung bleiben, nicht Organisation werden. Als Organisation musste sie erstarren. Was ich voraus­gesagt habe, ist auch eingetroffen. Ich habe die feste Zuversicht, ja den Beweis dafür, dass wir die Konsistorien alle in der Hand hatten hier in Altpreussen, wenn man sich auf seiten der Be­kenntnisbewegung auf die eigentlichen Aufgaben beschränkt hatte. So wurden sie alle von dem lebendigen Leibe der Kirche abgeschnitten. Sie seufzten unter der Verlassenheit und ha­ben dann auch ihrerseits Fehler gemacht. Nun muss ich etwas über den Wandel bei den DC sagen Man kann sie nicht mehr als Einheit nehmen, die man ohne weiteres ablehnen konn­te. Mit vielen von ihnen ist heute Gemeinschaft möglich. ... Wir dürfen die DC, die sich zum Bekenntnis gefunden haben, nicht zurückstossen. Im übrigen ist auch bei der Bekennenden Kirche nicht alles eitel Freude. Wir bringen zusammen, was für Schrift und Bekenntnis zu­sammenstehen will Das ist unser einziges Ziel. Die Bekenntnisbewegung muss bleiben. Wir haben uns für ihre Freiheit eingesetzt, damit sie für die neue Kirche arbeiten kann.“

 

Zoellners Wegweisung bekam Aktualität. Wenige Wochen später hatte es Strohm in Lin­dau/Bodensee mit einer Kirchengemeinde zu tun, in der eine von Württemberg kräftig unterstützte DC-Ortsgruppe Sympathisanten auch in der Kerngemeinde hatte, nicht zuletzt nach einem unglücklichen Abwehrkampf des Vorgängers. Für den seelsorgerlich denkenden Strohm gab es keine andere Wahl, als auf die Gemeindeglieder auch der anderen Richtung aufgeschlossen zuzugehen, statt sich lediglich abzugrenzen. Nach allem, was bekannt ist, ha­ben die Lindauer es ihm gedankt.67

 

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7. Die vorletzten Dinge im Licht der letzten —
Wilhelm Strohms letzte Lebensmonate

 

Strohm starb, noch nicht 35 Jahre alt, 15 Monate nach dem Abschied aus Rummelsberg, am 30. Mai 1937 an Herzversagen. Er hat nur das erste Drittel der NS-Herrschaft in Deutsch­land erlebt. Zur Zeit seines Todes erstarkte sie mit aussen- und innenpolitischen Erfolgen von Jahr zu Jahr weiter. Entsprechend stieg die Akzeptanz im deutschen Volk. Auf diesem Hin­tergrund gewinnen die Aussagen Strohms in seiner letzten Predigt, gehalten sechs Tage vor seinem Tod auf dem Brudertag in Rummelsberg am 24. Mai 1937, ihr eigenes Gewicht. Der Predigttext war Apostelgeschichte 2,4 "Sie wurden voll des hl. Geistes“. Nach Überlegun­gen zur Bedeutung des Geistes in der Menschheitsgeschichte blickt der Prediger auf die Jah­re nach 1933 zurück: "Als 1933 unser Volk sich in jenem mächtigen Aufschwung aus der Nacht der Unfreiheit erhob und Deutschland einmutig zusammenstand, da sagten viele, jetzt erst verstunden sie, was ihnen in der Kirche bisher als toter Begriff begegnet sei: das Wört­lein "Heiliger Geist“. 1933 sei das erste Pfingstfest gewesen, das sie innerlich miterlebt hat­ten. Ist am Ende das, was "Heiliger Geist“ genannt wird, die hohe Kraft, Energie, Einsatz­bereitschaft eines Volkes, eben der Menschengeist? Ist es eben doch richtig, was heute immer gesagt wird: der geistige Aufbruch der Nation, aller Dienst fur das Volk ist das praktische Christentum, das Jesus meinte? Ist es am Ende doch richtig, wenn man dann sagt, die ei­gentliche neue Gemeinschaft, um die es jetzt geht, ist das Volk? Und wenn die Kirche noch immer ihre Extratanze veranstaltet, wenn die konfessionellen Verbande immer noch von einem extra Heiligen Geist neben dem Heiligen Geist der Volksgemeinschaft reden, so sind das nur Überbleibsel aus der liberalen Zeit der Vereinsmeierei, und wir haben ja deutlich das Gefühl, dass die Innere Mission für das Denken der Öffentlichkeit eine erledigte Grosse ist. Schritt für Schritt wird dieser Schönheitsfehler überwunden.“ Strohm sieht die Situation vom biblischen Zeugnis her ganz anders. "Heiliger Geist verlangt Mut zur Entscheidung. Diese Zeit ist wieder gekommen. Der Traum ist vorbei, als ob ein ganzes Volk wie das deutsche christlich ist. Heute verlangt der HL. Geist wieder Scheidung der Geister. ... Die kleine Her­de, von der die Bibel spricht, wird jetzt immer mehr sich herauslosen müssen.“ Gleichzeitig wird die Raffinesse spürbar, mit der der Satan am Werk ist. "Alle die Versuche, Gottes Sache an die Wand zu drucken, all die verborgenen und offenen Wege, die gegen die Kirche vorge­trieben werden, kann man nur verstehen als ein ungeheueres Machwerk Satans... Er versucht es von aussen durch Spott, durch die Einflüsterung, er geht durch unsere Reihen! Wachet und betet!“

 

Der Prediger spricht es deutlich aus: "Es ist in unseren Gemeinden immer noch zu viel menschliche Angst vor den Mächtigen dieser Welt, wir müssen wieder lernen, im Gefängnis zu loben.“ Vor allem anderen sieht Strohm den Heiligen Geist freilich dort am Werk, wo unsere grenzenlose Selbstüberschatzung zerbrochen wird. "Wir wollen Gott dankbar sein, dass er uns Leid und Hartes schickt." 68 In dieser Predigt spiegeln sich Erfahrungen aus vier Jahren Kirchenkampf, aus acht Jahren intensiven Dienstes in der Bruderschaft, aber auch ganz persönliche Erfahrungen eines noch jungen Christen wider, der mit dreissig Jahren eine gesundheitliche Krise erlebt hatte und nun freilich nicht wusste, wie nahe sein Leben der letzten Schwelle war.

 

Mehr denn je leuchtet auf, was Strohm dem pietistischen Erbe verdankte, das in Rum­melsberg, wie erwähnt, besonders durch Karl Eichhorn und Emil Spranger vertreten war, aber auch den Rektor und nicht wenige Bruder pragte.69 Im geistlichen Wort des Bruderblatts kurz vor der Machtübernahme hatte Spranger auf dem Hintergrund einer tief pessimisti­schen Beschreibung der sundvollen Welt und ihrer Zukunft alle Hoffnungen auf den wie­derkommenden Herrn gelenkt, der die Gläubigen über alle Note der Zeit hsnüberhebt.70 Strohm hatte in den folgenden Monaten demgegenüber immer wieder von der "wagenden Kirche“ gesprochen, die sich nicht ins Ghetto zurückzieht. "Wir Christen mochten unseren Glauben immer gerne durch Staatsverträge, Abmachungen und Gesetze sichern. Für den äusseren Bestand mag das gut sein; für das innere Leben der Kirche ist es besser, wenn sie nicht als die beherrschende und alleingültige dasteht, wenn sie vielmehr ihre göttlichen Kräfte im Kampf bewahren muss. Der Herr Christus jedenfalls scheut Unruhe und Unsicherheit nicht...“71


In seiner letzten Predigt sieht er die Schar, die von der "unendlichen Liebe Christi“ ge­trieben ist, mitten "im Volk“ und die Innere Mission weiss, "dass sie nichts anderes ist als die arbeitende Kirche Christi“. Doch war Strohm stets gegenwärtig, was er in seiner Antrittspredigt in Rummelsberg am 11. November 1928, damals Volkstrauertag, so ausgedrückt hatte: "Die Hauptsache, das wirkliche Leben, wartet unser noch. Es soll uns die volle Teilnahme am Leben des heiligen Gottes bringen. Von dieser Zukunft bekommt das Leben Richtung und Ziel. Dieses Leben im Fleisch ist nur eine Vorbereitung und zugleich eine Probe, ob wir in der Nähe des heiligen Gottes zu bleiben reif sind. Worauf kommt es bei der Prüfung an? Jesus sagt: Darauf, ob ein Mensch willens ist, für Gott alles herzugeben, was ihm in dieser Welt anvertraut ist und vom Liebsten auf Erden sich loszureissen...“ Er fragt am Ende der Predigt: "Sind wir bereit, auch alles zu geben: Gesundheit, tägliches Brot, unser Leben, wenn Gott es in sein Reich fordert,“ und setzt fort: "Dass ich in eure Reihen treten darf, um das Wort vom Dienst Gottes mit euch in das Volk zu tragen..., dafür danke ich meinem Gott und bitte ihn zugleich um die Kraft zu einem ganzen, reinen und gültigen Opfer.“72 Strohm sagte das dreizehn Tage vor seiner Hochzeit. Nie hat seine junge Frau vergessen, wie er sie damals an das paulinische "Haben, als hatten wir nicht,“ erinnerte. Auf den Grabstein liess sie das Wort aus der Offenbarung Johannes schreiben, das Strohm in seinem Sterbemonat im Evang. Gemeindeblatt für das Allgäu ausgelegt,74 und an das sie Strohms Lindauer Pfarrerkollege am Sterbebett erinnert hatte: "Siehe, ich mache alles neu.“ 74


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Anmerkungen

 

1 Vgl Björn Mensing. Pfarrer und Nationalsozialismus Geschichte einer Verstrickung am Beispiel der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Bayern (AKiZ B 26), Göttingen 1998

2 Einige, lediglich summarische Bemerkungen zu Strohms Tätigkeitsfeldern in Rummelsberg finden sich in Gerhard Wehr, Gutes tun und nicht müde werden. Ein Jahrhundert Rummelsberger Diakonie, München 1989

3 Neben den im Landeskirchlichen Archiv, Nürnberg, erhaltenen relevanten Quellen wurde für die vor­liegende Studie der im Besitz der Witwe befindliche Nachlass ausgewertet.

4 Lebenslauf für die Anmeldung zur Theologischen Aufnahmeprüfung, Personalakt Wilhelm Strohm, LKA

5  Personalakte W Strohm

6 Ebd

7 Der Schriftsteller und Kulturphilosoph Houston Stewart Chamberlain war seit 1908 mit der Tochter Richard Wagners verheiratet und 1916 deutscher Staatsbürger geworden. Die in seinem 1899 erschienenen Werk "Die Grundlagen des 19 Jahrhunderts“ vertretene rassenideologische Deutung der Geschichte hatte grossen Einfluss auf Hitler und den Nationalsozialismus. Noch in seiner letzten Predigt gab Strohm den tie­fen Eindruck wieder, den ihm die Ausstrahlung des schwerkranken, gelahmten Mannes damals gemacht hat (Bruderblatt [im folgenden BBL] 1937, 5 7 f).

8 Brief W Strohms an Oberkrchenrat Daumiller vom 27 1 1936 "Ich gebe meine schöne Arbeit hier natürlich nur schweren Herzens auf, aber sie ist augenblicklich ,aussenpolitisch‘ gesehen, nicht so wichtig wie die Nägelsbachs. Ich bin innerlich froh, in der Sache Lindau von mir aus nichts unternommen zu haben Ich wurde vielmehr eine Fügung Gottes darin erblicken, wenn massgebende Stellen sich für meine Berufung entscheiden wurden und konnte im Glauben den neuen Weg freudig gehen“ (Personalakte W Strohm, LKA).

9 Oft erinnerte Strohm auch andere an das Wort aus Hebräer 12,29. "Unser Gott Ist ein verzehrend Feuer“, das über seinem Bett hing.

10 Handreichung für die Bruderkonferenzen (im folgenden HBK), Mai 1934, S. 2

11 BBL 1929,5 47

12 Rundbrief des Rektors v 23 11.1934 in HBK

13 Vgl dazu Michael Häusler, Dienst an Kirche und Volk Die deutsche Diakonenschaft zwischen beruf­licher Emanzipation und kirchlicher Formierung 19 13-1947, Stuttgart 1995

14 Personalakt W Strohm, LKA

15 Manuskript im Nachlass

16 Nach Ernst Hohne, Die Bubenreuther Philister, Erlangen 1936, 5 350 In den Freikorps taten insgesamt 144 spätere bayerische Pfarrer Dienst (vgl Helmut Baier, Die Deutschen Christen Bayerns im Rahmen des bayerischen Kirchenkampfes [Einzelarbeiten aus der Kirchengeschichte Bayerns, 46], Neustadt/Aisch, S 30 Anm 8)

17 Baier, a a O,S 33 Anm 13

18 Baier, a a O ,S 32

19 Theologisches Gutachten über die Zulassung von Christen jüdischer Herkunft zu den Ämtern der Deutschen Evangelischen Kirche (Erlanger Gutachten), in Kurt Dietrich Schmidt, Die Bekenntnisse und grundsätzlichen Äusserungen zur Kirchenfrage des Jahres 1933, Göttingen 1934, S 184
20 A a 0., S 185 (Hervorhebungen sind vom Vf unberücksichtigt gelassen)

21 Ebd (Hervorhebungen sind vom Vf unberücksichtigt gelassen)

22 Abgedr. in Kurt Dietrich Schmidt, Die Bekenntnisse und grundsätzlichen Äusserungen zur Kirchenfrage, Bd 2 Das Jahr 1934, Göttingen 1935, S 102-104 Später zogen Althaus und Elert ihre Unterschrift wieder zurück, um nicht die Deutschen Christen zu unterstützen.

23 Siehe unten S 155

24 Althaus hat Strohm seinerseits wahrend der Rummelsberger Zeit im Jahre 1932 mit seiner Frau besucht und in seinem Kondolenzschreiben an die Witwe wie auch 1952 gegenüber seinem Sohn Albert zum Aus­druck gebracht, wie sehr er Strohm als Schuler geschätzt und welche Hoffnungen — auch bezüglich einer akademischen Lehrtätigkeit — er in ihn gesetzt habe. Vgl. das Kondolenzschreiben Paul Althaus‘ an die Witwe Maria Strohm, Nachlass W Strohm.

25 Werner Wiesner, Art Heim, Karl, in. RGG, Bd. 3, Tübingen 1959, Sp. 199

26 Bis 1934 unterstand dieser dem Landesverein für Innere Mission, vertreten durch den 1 Vorsitzenden und den Geschäftsführer, unmittelbar

27 BBL August/September 1933, 5 54ff, von Strohm ausgewählte Wiehern-Worte in BBL 1933, S 61

28 Vgl Theodor Strohm, Innere Mission, Volksmission, Apologetik Zum soziokulturellen Selbstver­ständnis der Diakonie Entwicklungslinien bis 1937, in Jochen-Christoph Kaiser/ Martin Greschat (Hg), Sozialer Protestantismus und Sozialstaat Diakonie und Wohlfahrtspflege in Deutschland 1890 bis 1938, Stuttgart 1996, 5 30

29 Zu Wurm vgl Gerhard Schäfer, Die evangelische Landeskirche in Württemberg und der National­sozialismus, Dokumente zum Kirchenkampf‘ Bd 6, Stuttgart 1986,S 116, zu Messer auf S 148.

30 Vgl Erich Beyreuther‘ Kirche und Bewegung Geschichte der Evangelisation und Volksmission, Berlin 1968, 5 234

31   BBL 1929,S 109ff

32 Vgl Paul Althaus, Art Krieg II Krieg und Christentum, in RGG2 Bd 3, Tübingen, Sp. 1306—1312

33 Meisers dort veröffentlichter Aufsatz ~Die evangelische Gemeinde und die Judenfrage“ wurde im Januar 1937 vom Landeskirchenrat an alle bayerischen Dekanase versandt, um falsche Gerüchte über Mei­sers Stellung zur Judenfrage aus der Welt zu schaffen Zur Analyse des Textes vgl. Marijke Smid, Deutscher Protestantismus und Judenfrage 1932/1933 (Heidelberger Untersuchungen zu Widerstand, Judenverfol­gung und Kirchenkampf im Dritten Reich, 2) , München 1990, 341-345.

34 Manuskript im Nachlass

35 HBK September 1935

36 Vgl das Protokoll der Synode, in: Wilhelm Niemöller (Hg.), Die Synode in Steglitz (AGK 23), Gött­ingen 1970,S 166 f; ferner den Bericht Gerhard Vibrans‘ in dem Brief an sein Elternhaus vom 17935, in Dorothea Andersen u a. (Hg ), So ist es gewesen‘ Briefe im Kirchenkampf 1933-1942 von Gerhard Vibrans aus seinem Familien- und Freundeskreis und von Dietrich Bonhoeffer (Dietrich Bonhoeffer Werke, Ergän­zungsband), Gütersloh 1995, 5 201-209

37 Vgl Johanna Haberer Hg), Er liebte seine Kirche, München 1996, 5 54

39 BBL Feb. 1933, S 9f

40 BBL 1930, S 61f

41 BBL 1931, S 81

42 HBK

43 BBL April 1933, S 25

44 Die dabei benutzte hölzerne Maschinengewehr-Atrappe verblieb im Pfarrgarten als aufregendes Spielzeug der Pfarrerskinder

45 Rundschreiben HBK.

46 Baier, a.a O. , S 42

47 Baier, a.a O., 5 43

48 Z B am 30.1.1934, dem "Jahrestag der Regierung Hitlers Unter zahlreicher Beteiligung der SA, 55, BdM usw. findet abends in der Philippuskirche ein Gottesdienst statt“ (BBL 1934, S 17) BBL Oktober 1933, S 66.

49 Predigtmanuskript im Nachlass

50 BBL 1937, 5 74

51 Näheres bei Baier, a a O., passim

52 Näheres bei Häusler, a a O., passim

53 BBL 1933,5 66

54 Häusler, a a 0 , S 270 Anm 290

55 HBK v 3.11.1930

56 Kopie in den Kirchenkampfpapieren der Bruderhausleitung Rummelsberg, LKA Rummelsberg, Bd 8

57 Rundschreiben Diakon Weigt, ebd

58 HBK JuIi 1934

59 HBK Rundschreiben des Rektors v 22 9 1934

60 HBK Februar 1935 In einem Vortrag auf dem Brudertag 1934 zum Thema "Worum geht es im gegen­wärtigen Kirchenkampf“‘ hatte Strohm die Meinung geäussert, "dass Gott seine evangelischen Christen langst über diese strenge konfessionelle Spaltung (luth , ref, uniert) hinausgeführt hat“ (Manuskript im Nachlass)

61 Es lässt sich nicht mehr klären, ob der Versand dieses Textes wegen inhaltlicher Bedenken oder aus organisatorischen Gründen unterblieb

62 HBK März 1935

63 HBK Rundbrief des Rektors vom 28 5 35

64 Original in den Kirchenkampfpapieren der Bruderhausleitung Rummelsberg, LKA Rummelsberg, Bd. 8

65 HBK Mai 1935

66 HBK Februar 1936

67 Zum Grundsätzlichen vgl den Artikel "Kampf gegen die Gottlosigkeit“, in BBL 1932, S. 10 ff, zum Praktischen siehe auch den Kurzbericht über die Installationspredigt in der Lindauer National-Zeitung vom 93 1936 (nur bedingt zuverlässig!) und das Predigtmanuskript im Nachlass.

68 BBL Juli/August 1937, S 50ff

69 Zu den Beziehungen Rummelsbergs zur Gemeinschaftsbewegung vgl. den Artikel von Rektor Nicol "Gemeinschaft und Diakonie“, in BBL 1932, S 75.

70 BBL Dezember 1932, S 73 f.

71 BBL März 1934, S. 10

 

 

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